Interview

Alleine stark - gemeinsam stärker

Innovationsführerschaft ist ein wesentlicher Wettbewerbsfaktor. Dieses Ziel werde mithilfe von Kollaborationen besser erreicht, erklärt Professor Dr. Alexander Fliaster von der Universität Bamberg. Der Innovationsmanagement-Experte fordert deshalb Unternehmen dazu auf, ihre Ökosysteme weiterzuentwickeln, Kollaborationsprozesse und Beziehungsnetzwerke gezielt zu steuern und im Top-Management eine Innovationskultur zu etablieren.

Herr Professor Dr. Fliaster, Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit Kollaborationen, also mit der Zusammenarbeit innerhalb von und zwischen den Organisationen in Richtung eines gemeinsamen Ziels. Können uns Kollaborationen wettbewerbsfähiger machen?
 
Die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch der Erfolg von Unternehmen hängen heute immer mehr davon ab, inwieweit es gelingt, Innovationen voranzutreiben. Dabei geht es nicht nur um neue Produkte und Dienstleistungen, sondern es kommen zunehmend auch Geschäftsmodelle und das damit zusammenhängende Ökosystem* auf den Prüfstand. So kommt dem Ökosystem eine wichtige strategische Bedeutung zu, wenn es um Innovationen geht.
 

Dem Ökosystem eines Unternehmens kommt eine wichtige strategische Bedeutung zu, wenn es um Innovationen geht.


Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang: Zum einen liegt jedem Ökosystem ein Netzwerk, also ein System von Unternehmensbeziehungen, zugrunde. Zum anderen verstärken Megatrends, allem voran „Nachhaltigkeit“ und Digitalisierung, die Notwendigkeit, Ökosysteme neu zu gestalten.
 
Aus diesem Innovationdruck heraus resultieren besondere Herausforderungen für Kollaborationen in Ökosystemen: Man muss neue Partner gewinnen und lernen mit ihnen effektiv und effizient zusammenzuarbeiten. Das muss häufig auch über die tradierten Branchengrenzen hinausgehen und in neuen Plattformstrukturen stattfinden. Hier sind Kollaborationskompetenzen gefragt.

"Kollaborationskompetenzen" ist ein gutes Stichwort. Welchen Tipp würden Sie den Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe, die zwar in einen Verbund gehören, aber doch sehr unabhängig agieren, unter diesem Stichwort geben?

 
Auf der Unternehmensebene unterscheidet man zwischen zwei Arten von Kompetenzen, die für Kollaborationen in Netzwerken erforderlich sind.
 
Zum einen geht es um Prozesse, mit denen das Unternehmen die bilaterale Zusammenarbeit mit einzelnen Firmenpartnern managt. Hierzu gehört insbesondere eine intensive Kommunikation mit dem jeweiligen Partner, die hilft, sich ein genaues Bild über dessen Situation und Interessen zu machen. Gute, auch informale Kontakte zwischen wichtigen Entscheidungsträgern aus den beiden Partnerunternehmen spielen ebenfalls eine Rolle. Auch funktionierende Mechanismen der Konflikthandhabung und gemeinsamer Problemlösung zählen zum erfolgreichen Management von bilateralen Netzwerkbeziehungen.
 

Gestaltung von Netzwerkbeziehungen und Portfoliokompetenz machen das erfolgreiche Management von Kollaborationen aus.

 
Die andere Kollaborationskompetenz, die speziell für den Aufbau und Anpassung eines innovationsfreundlichen Ökosystems von Bedeutung ist, geht über diese bilaterale Perspektive hinaus: Sie lässt sich als Portfoliokompetenz beschreiben. Es handelt sich um die strategische Fähigkeit des Unternehmens, sein gesamtes Beziehungsnetzwerk zu steuern und, insbesondere auch bei gravierenden Veränderungen wie durch die Digitalisierung, für eine innovationsförderliche Netzwerkdynamik zu sorgen. Konkret heißt das, dass Unternehmen gegenseitige Abhängigkeiten, Synergien, aber auch potenzielle Konfliktursachen im gesamten Beziehungsportfolio analysieren sollten. Das bedeutet auch, bei Bedarf wenig zielführende, ressourcenverschlingende Netzwerkbeziehungen abzubauen. Insgesamt geht es also darum, dass auf der Topmanagementebene eine klare Netzwerksstrategie ausgearbeitet und umgesetzt wird, welche die Wettbewerbs- und die Innovationsstrategie effektiv unterstützt.

Sie haben das Thema Digitalisierung angesprochen. Welche Rolle spielt das Top-Management im Zusammenspiel von Kollaborationen und digitaler Transformation ?
 
Digitale Transformation ist eine strategische Aufgabe. Daher kommt hier dem Top-Management eine ganz zentrale Bedeutung zu.
 
Studien zeigen, dass es mindestens zwei Wege gibt, wie Führungskräfte Innovationen in ihrem Unternehmen vorantreiben können. Zum einen können sie selbst als Innovatoren auftreten, das heißt sie können kreative Geschäftsideen und Zukunftsvisionen generieren, neue Problemlösungen initiieren usw. Zum anderen sollen Führungskräfte die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Innovationen befähigen. Dann treten sie als Unterstützer und Förderer auf und prägen insgesamt eine innovationsförderliche Kultur in der Organisation. Zu diesen Aktivitäten gehören beispielsweise die Bereitstellung von erforderlichen Innovationsressourcen, Unterstützung beim Management von komplexen Projekten, Überzeugung von wichtigen Stakeholdern und Abbau von Innovationsbarrieren.
 

Innovator sein und zu Innovationen befähigen: Das sind wesentliche Kompetenzen eines Digital Leaders. Hierfür benötigen Führungskräfte – neben fachlicher Expertise – hervorragende „political skills.

 
Um diese anspruchsvollen Aufgaben bewältigen zu können, benötigen Führungskräfte mehr als nur solide fachliche Expertise. Innovation ist immer auch ein sozialer Prozess, an dem mehrere Akteure beteiligt sind. Und dann gilt zudem ganz generell, und für die digitale Transformation vielleicht sogar ganz besonders: Neben kreativem Innovationspotenzial sind Kollaborationskompetenzen unabdingbar auf Führungsebene. Unsere aktuellen Studien zeigen beispielsweise, dass erfolgreiche Digital Leader sich vielfach durch hervorragende „political skills“ auszeichnen. Diese Fähigkeit erlaubt ihnen, Netzwerke mit Personen innerhalb, aber auch außerhalb der eigenen Organisation zu entwickeln und auszubauen.
 
Durch diese Netzwerkbeziehungen gewinnen Digital Leader neue und relevante Informationen über die Branchenentwicklung und Technologietrends, stellen Unterstützung für Organisationsveränderungen sicher und treiben die Umsetzung von innovativen Ideen voran. Die Förderung von diesen Netzwerkkompetenzen sollte daher auch stärker Eingang in die Führungskräfteentwicklung finden, um Entscheidungsträger auf die vielfältigen Herausforderungen der Kollaboration besser vorzubereiten. Das gilt übrigens auch für die Managementausbildung von künftigen Führungskräften an Universitäten und Business Schools.
 
 Herr Professor Dr. Fliaster, vielen Dank für das Gespräch!

* In Analogie zu biologischen Ökosystemen, beschreibt ein wirtschaftliches Ökosystem ("Business Ecosystem") eine dynamische Struktur verschiedenster, lose gekoppelter, sozialer und wirtschaftlicher Akteure. Diese bilden ein Netzwerk und interagieren durch gemeinsame Technologien, Sprachen und Institutionen.
(Gabler Bankenlexikon, 2021)
Professor Dr. Alexander Fliaster

ist Inhaber des Lehrstuhls für BWL, insbesondere Innovationsmanagement, an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Als Gastprofessor lehrte er in mehreren internationalen Master- und MBA-Programmen, u. a. an der Toulouse Business School in Frankreich, dem Indian Institute of Management in Bangalore und dem Moscow Institute of Physics and Technology in Russland. Darüber hinaus hat Professor Fliaster zahlreiche Executive Development Programme für Unternehmen in mehreren europäischen Ländern entwickelt und durchgeführt.

Professor Fliaster war Visiting Research Fellow am INSEAD in Fontainebleau (Frankreich) und hat für seine Forschung Drittmittel im Rahmen des 6. und des 7. Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union eingeworben. Seit 2015 ist er Mitglied im Direktorium des Kompetenzzentrums für Geschäftsmodelle in der digitalen Welt, das im Rahmen der Kooperation zwischen dem Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen und der Universität Bamberg gegründet wurde. Seine wichtigsten Forschungs- und Beratungsgebiete sind Collaboration Management, Innovation Leadership, Netzwerke von Führungskräften, Digitale Transformation sowie Umsetzung von Innovationen.

Kontakt:
Prof. Dr. Alexander Fliaster an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Alexander.Fliaster@uni-bamberg.de




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