Herr Professor Dr. Fliaster, Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung mit Kollaborationen, also mit der Zusammenarbeit innerhalb von und zwischen den Organisationen in Richtung eines gemeinsamen Ziels. Können uns Kollaborationen wettbewerbsfähiger machen?
Die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch der Erfolg von Unternehmen hängen heute immer mehr davon ab, inwieweit es gelingt, Innovationen voranzutreiben. Dabei geht es nicht nur um neue Produkte und Dienstleistungen, sondern es kommen zunehmend auch Geschäftsmodelle und das damit zusammenhängende Ökosystem* auf den Prüfstand. So kommt dem Ökosystem eine wichtige strategische Bedeutung zu, wenn es um Innovationen geht.
„Dem Ökosystem eines Unternehmens kommt eine wichtige strategische Bedeutung zu, wenn es um Innovationen geht.“
Wichtig zu wissen ist in diesem Zusammenhang: Zum einen liegt jedem Ökosystem ein Netzwerk, also ein System von Unternehmensbeziehungen, zugrunde. Zum anderen verstärken Megatrends, allem voran „Nachhaltigkeit“ und Digitalisierung, die Notwendigkeit, Ökosysteme neu zu gestalten.
Aus diesem Innovationdruck heraus resultieren besondere Herausforderungen für Kollaborationen in Ökosystemen: Man muss neue Partner gewinnen und lernen mit ihnen effektiv und effizient zusammenzuarbeiten. Das muss häufig auch über die tradierten Branchengrenzen hinausgehen und in neuen Plattformstrukturen stattfinden. Hier sind Kollaborationskompetenzen gefragt.
"Kollaborationskompetenzen" ist ein gutes Stichwort. Welchen Tipp würden Sie den Unternehmen der Sparkassen-Finanzgruppe, die zwar in einen Verbund gehören, aber doch sehr unabhängig agieren, unter diesem Stichwort geben?
Auf der Unternehmensebene unterscheidet man zwischen zwei Arten von Kompetenzen, die für Kollaborationen in Netzwerken erforderlich sind.
Zum einen geht es um Prozesse, mit denen das Unternehmen die bilaterale Zusammenarbeit mit einzelnen Firmenpartnern managt. Hierzu gehört insbesondere eine intensive Kommunikation mit dem jeweiligen Partner, die hilft, sich ein genaues Bild über dessen Situation und Interessen zu machen. Gute, auch informale Kontakte zwischen wichtigen Entscheidungsträgern aus den beiden Partnerunternehmen spielen ebenfalls eine Rolle. Auch funktionierende Mechanismen der Konflikthandhabung und gemeinsamer Problemlösung zählen zum erfolgreichen Management von bilateralen Netzwerkbeziehungen.
„Gestaltung von Netzwerkbeziehungen und Portfoliokompetenz machen das erfolgreiche Management von Kollaborationen aus.“
Die andere Kollaborationskompetenz, die speziell für den Aufbau und Anpassung eines innovationsfreundlichen Ökosystems von Bedeutung ist, geht über diese bilaterale Perspektive hinaus: Sie lässt sich als Portfoliokompetenz beschreiben. Es handelt sich um die strategische Fähigkeit des Unternehmens, sein gesamtes Beziehungsnetzwerk zu steuern und, insbesondere auch bei gravierenden Veränderungen wie durch die Digitalisierung, für eine innovationsförderliche Netzwerkdynamik zu sorgen. Konkret heißt das, dass Unternehmen gegenseitige Abhängigkeiten, Synergien, aber auch potenzielle Konfliktursachen im gesamten Beziehungsportfolio analysieren sollten. Das bedeutet auch, bei Bedarf wenig zielführende, ressourcenverschlingende Netzwerkbeziehungen abzubauen. Insgesamt geht es also darum, dass auf der Topmanagementebene eine klare Netzwerksstrategie ausgearbeitet und umgesetzt wird, welche die Wettbewerbs- und die Innovationsstrategie effektiv unterstützt.